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Big Bay Beach Table Bay
Big Bay Beach Table Bay

Zu Beginn des Jahres 2018 schaut plötzlich die ganze Welt auf Kapstadt. Grund für die Schlagzeilen sind dieses Mal jedoch nicht die Fußball-Weltmeisterschaft, der boomende Tourismus oder die berühmte Pinguin-Kolonie am Boulders Beach. Die Wasserknappheit in der Metropole und der bevorstehende „Day Zero“ sorgen für internationale Aufmerksamkeit und Aufruhr unter Touristen und Einheimischen.

Wie sieht es nun einige Monate nach den Horror-Schlagzeilen und Wasserkrieg-Prophezeiungen aus? Wird Kapstadt wirklich die erste Millionenstadt der Welt sein, der das Wasser ausgeht? Und wie handhaben andere Großstädte immer knapper werdende Wasservorräte?

Wenn den Metropolen der Welt das Wasser ausgeht

Weltstädte wie São Paulo, Mexico City oder Beijing haben bereits seit vielen Jahren ähnlich große Probleme wie Kapstadt. Auch die europäischen Städte Rom und London oder die oftmals durch Regenfälle überschwemmte Stadt Miami im US-Bundesstaat Florida kämpfen mit einem zu geringen Frischwasserhaushalt.

Neben Dürren und Naturkatastrophen aufgrund des Klimawandels stellen insbesondere auch kontaminiertes Wasser und kaputte Rohrsysteme weltweit bekannte Ursachen für dieses Problem dar. In Entwicklungsländern sollen bis zu 80% des Wassers durch Lecks in Wasserleitungen verloren gehen.

São Paulo

In São Paulo fiel der Inhalt des Hauptreservoirs für Frischwasser im Jahr 2015 auf unter 4%, was in der Millionenstadt einem Wasserverbrauch von weniger als 20 Tagen entspricht. Hier sprechen Experten von Folgen der dreijährigen Dürre, jedoch auch, ebenso wie in Kapstadt, von einem misslungenen Wassermanagement durch die Regierung. Das Wasser wird zeitweise halb- oder ganztägig abgestellt, um den Verbrauch einzudämmen. Nachdem die Wasserkrise 2016 offiziell für beendet erklärt wurde, sinken die Frischwasser-Reserven bis zum Beginn des aktuellen Jahres erneut auf das kritische Level wie im Jahr vor der Krise.

Brasilia

Auch Brasilia, die Hauptstadt Brasiliens, befindet sich aktuell in einem Wasser-Restriktionsprogramm, welches die Abschaltung des Wassers an einem Tag der Woche und die Reduzierung des Wasserdrucks in der Nacht für den Großteil der Bevölkerung beinhaltet.

Mexiko-Stadt

Ebenso bekannt ist die seit Jahren voranschreitende Wasserknappheit in der nordamerikanischen Megacity Mexiko-Stadt. Aus immer tieferen Brunnen wird das Grundwasser gepumpt. Dadurch sinkt die Stadt mitsamt ihrer Gebäude immer weiter ab. Während bereits vor einigen Jahren in den Armenvierteln am Stadtrand des Öfteren das Wasser abgestellt wurde, treffen die Restriktionen inzwischen auch die reichen Bevölkerungsschichten in der Stadtmitte. Mit Auffanganlagen für Regenwasser versucht die Regierung den größten Nutzen aus der regenreichen Jahreshälfte zu ziehen, um die regenarme Jahreshälfte zu überbrücken.

Beijing

In China sucht man ebenfalls seit Jahrzehnten nach einer Lösung für den durch Bevölkerungswachstum immer größer werdenden Bedarf an Frischwasser. Beijings knapp 22 Millionen Einwohnern stehen jeweils nur 100m³ Wasser pro Jahr zur Verfügung, was einem deutlichen Wassermangel entspricht. Zudem liegen die Wasserressourcen zum Großteil im Süden des Landes, die Agrarindustrie hat ihre Hauptstandorte jedoch im Norden. China versucht derzeit die ungleichmäßige Wasserverteilung durch das weltweit größte Wasserumleitungssystem auszugleichen. So sollen die Agrarflächen und Einwohner im Norden mit Wasser aus dem Süden versorgt werden. Dennoch stellt dies voraussichtlich keine langfristige Lösung dar.

Rom

Es wird zudem immer sichtbarer, dass auch die europäischen Städte mit dem Klimawandel zu kämpfen haben. Die Stadt Rom reduziert im Jahr 2017 den Wasserdruck auf ein Drittel, um dem Wassermangel, ausgelöst durch eine Dürreperiode und die Hitzewelle in der Hauptsaison, entgegenzuwirken. In Italien und anderen Teilen des südlichen Europas werden aktuell deutlich seltenere und geringere Regenfälle verzeichnet als in den Jahrzehnten zuvor. In Spanien und Portugal löst dies inzwischen jährlich hohe Ernteeinbußen und Waldbrände aus. Für das Löschen der Brände fehlt wiederum das Regenwasser. Im Herbst 2017 muss in einer portugiesischen Kleinstadt in letzter Minute Löschwasser aus einer anderen Stadt transportiert werden. Auch die Bevölkerung wird tagelang eindringlich dazu angehalten, möglichst sparsam mit dem Leitungswasser umzugehen, um die Brandlöschung nicht zu gefährden und somit eine Katastrophe zu verhindern.

London

Selbst im vermeintlich mit Regenfällen gesegneten London führen die Verschmutzung der Flüsse, platzende Wasserrohre aufgrund frostiger Winter, regenarme Perioden im Sommer und die drastisch steigende Population zu unvermeidbaren Wasserkrisen.

Wasserstress, Wassermangel und der individuelle Wasserfußabdruck

Von Wasserstress spricht man in der Regel, wenn pro Mensch und Jahr nur 1.000 bis 1.700m³ Wasser zur Verfügung stehen. Ab einer Menge von unter 1.000m³ besteht Wassermangel.

Eine im Jahr 2014 durchgeführte Umfrage ergab, dass ein Viertel der 500 größten Städte zukünftig mindestens „Wasserstress“ erwartet. Bis zum Jahr 2030 wird der globale Wasserbedarf den vorhandenen Vorrat voraussichtlich um 40% übersteigen. Doch bereits jetzt können viele Staaten die Entnahme von Frischwasser nicht mehr mit den sich erneuernden Wasserressourcen ausgleichen. Als Gründe hierfür werden in Kombination der Klimawandel, das Bevölkerungswachstum bei gleichzeitiger Verdopplung des Wasserverbrauchs pro Kopf (im Durchschnitt) und das menschliche Handeln genannt, welche den Wasserzyklus durcheinanderbringen.

Der steigende Wasserverbrauch jedes einzelnen Individuums wird jedoch nicht nur bedingt durch den direkten Verbrauch des tatsächlich zum Kochen, Putzen oder Duschen verwendeten Wassers. Eine ebenso große Rolle spielen das virtuelle Wasser und der Wasserfußabdruck. Nach dem gleichen Prinzip wie dem des CO2-Fußabdrucks messen diese Werte den Wasserverbrauch der zur Herstellung der Produkte, die ein Mensch während seines Lebens konsumiert, benötigt wird. Das reicht von 30 Litern Wasserverbrauch zur Herstellung einer Tasse Tee bis zu über 20.000 Litern zur Herstellung eines Computers oder eines Kilogramms Kakao.

Die steigende Nachfrage aus den meist reicheren Industrieländern für exotische Produkte oder billige Kleidung trägt somit ebenfalls ihren Teil zur globalen Wasserknappheit bei.

Ein Rückblick – Kapstadt in den Schlagzeilen

Während Kapstadt im Jahr 2015 noch eine Auszeichnung für hervorragendes Wassermanagement entgegennimmt, befindet es sich drei Jahre später in einer Krise, die eine weltweite Popularität erreicht. Die Tageszeitungen aus allen Teilen der Welt sind zum Jahreswechsel 2017/18 gefüllt mit reißerischen Berichterstattungen und Horror-Schlagzeilen zur aktuellen Lage in der Stadt am Kap der Guten Hoffnung.

Der „Stern“ berichtet im Februar vom „Schwarzmarkt für Wasser“, die Regierung vergleicht die Stunde Null laut „New York Times“ mit Katastrophen wie dem Zweiten Weltkrieg oder den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York. Der österreichische „Kurier“ befürchtet gar eine drohende Anarchie, gewalttätige Unruhen in den Townships und den Beginn von Wasserkriegen.

Andere Online-Zeitungen dagegen vermuten eine gezielte Abschreckung der Bevölkerung und ein Wachrütteln der Gesellschaft. Der Day-Zero-Countdown auf der städtischen Webseite und die Ankündigung von durch Militär bewachten Verteilstationen für die Bevölkerung seien die Anzeichen dafür.

Die „ARD“ informiert über eine verkehrte Welt, in der Kunden ihr eigenes Wasser mit zum Friseur nehmen müssen und zu Hause angekommen zum Spülen der Toilette wiederverwerten. Währenddessen handelt „Zeit Online“ die Plastikflasche als neues Statussymbol. Doch wie drastisch sind die Folgen für die Menschen vor Ort wirklich?

Auswirkungen der Wasserkrise auf Einheimische und Touristen in Kapstadt

Bereits im Jahr 2017 zeichnet sich infolge der geringen Regenfälle der letzten Jahre eine Krisensituation in der Millionenstadt ab. Erste Wasser-Sparmaßnahmen werden eingeleitet. Die Bürger sollen einen täglichen Wasserverbrauch von 87 Litern nicht überschreiten, ansonsten drohen hohe Bußgelder. Der Wasserverbrauch in Deutschland liegt im Vergleich dazu bei über 120 Litern pro Kopf.

Zu Beginn des Jahres 2018 wird, auch aufgrund der von vielen nicht eingehaltenen Restriktion, Alarmstufe 6 ausgerufen. Die Kapstädter müssen sich im Februar mit einer erneuten Reduzierung ihres Wasserverbrauchs, auf 50 Liter pro Person und Tag, anfreunden. Die Stadt könne die Bürger nicht länger bitten, Wasser zu sparen, sondern müsse sie dazu zwingen – auch mit höheren Bußgeldern und stetig steigenden Wasserpreisen, erklären Sprecher der Stadtverwaltung.

Der Wassernotstandsplan des im Januar 2018 eingerichteten Desaster Operation Centre (DOC) umfasst weiterhin Einschränkungen und Verbote für Swimming-Pools, Autowäschen, öffentliche Duschen oder die Bewässerung von Gärten. Zugleich berechnet die Stadt den vermeintlichen „Day Zero“ nach dem aktuellen Wasserverbrauch wöchentlich neu. Der Tag, an dem die Dämme nur noch zu 13,5% gefüllt sein werden und die „Stunde Null“ naht, rückt immer näher.

Wassermangel in den Townships

Einen kaum merklichen Effekt hat der „Day Zero“ auf die Townships am Rande von Kapstadt. Viele Haushalte haben keinen Wasseranschluss und sind es gewohnt ihr Wasser an Sammelstellen zu holen. Sie verbrauchen oft nur 25 Liter am Tag zum Kochen, für die Hygiene und zum Waschen. Einen Swimmingpool gibt es ebenso wenig wie eine Toilettenspülung. Dennoch verdienen viele ihr Geld mit dem Waschen von Autos. Die Autowäscher werfen der Stadt vor, sie mit dem Verbot der Nutzung des städtischen Wassers in die Kriminalität zu treiben. Sie fühlen sich ungerecht behandelt in Anbetracht der Tatsache, wie viel mehr Wasser von den besser situierten Bewohnern der Stadt in den letzten Jahrzehnten bereits verschwendet wurde und teils immer noch wird. Die Bewohner der Townships sollen tatsächlich nur etwa 5% des Wassers vom Gesamtverbrauch der Kapstädter nutzen.

Wichtig zu erwähnen ist auch, dass die Wasserkrise nur Kapstadt inklusive der näheren Umgebung betrifft, da die Stadt aufgrund ihrer Lage und der extrem steigenden Bevölkerungszahl auf das Regenwasser in ihren Dämmen angewiesen ist. Die Stadt wurde auf zahlreiche natürliche Quellen und Flüsse gebaut, deren Wasser seit Jahrzehnten ungenutzt ins Meer fließt, berichtet eine Wasseraktivistin im Interview mit „CNN“. In Zukunft wird wohl versucht, die Quellen aufzuspüren und wenn möglich wieder anzuzapfen. Andere Regionen Südafrikas beziehen ihr Frischwasser ebenfalls aus zahlreichen natürlichen Quellen. Das Wasser aus den Bergen im Lesotho-Gebiet beispielsweise versorgt selbst das sehr weit nördlich davon gelegene Johannesburg.

„50l a day keeps day zero away“ – Kapstadt erlangt multimediale Aufmerksamkeit

Die Stadtverwaltung Kapstadts startet zur Aufklärung der Bevölkerung eine umfangreiche medienübergreifende Kampagne. Damit sollen die Einwohner und Besucher auf das gravierende Problem aufmerksam gemacht werden. Durch einfache, humorvolle und einprägsame Plakate wird versucht, den Kapstädtern das Wassersparen möglichst leicht zu gestalten und sie in dieser schwierigen Zeit bei Laune zu halten.

Sprüche wie „50l a day keeps day zero away“, „If it’s yellow let it mellow, if it’s brown flush it down.“ oder „Save like a local“ begrüßen Einheimische ebenso wie Touristen an Flughäfen, in Restaurants, Schulen und Hotels. Bereits vor der Landung in Kapstadt weisen Piloten auf die schwierige Lage in der Stadt hin und sensibilisieren die Besucher für die Sparmaßnahmen.

Zu den Aufgaben der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Tourismus-Branche zählt es nun auch, den Gästen nahezulegen, die Handtücher mehrmals zu benutzen, keine Bäder zu nehmen und Papierservietten statt Stoffservietten zu benutzen. Auf kreative Art und Weise versuchen sowohl die Regierung als auch engagierte Bürgerinitiativen mit Hashtag-Aktionen wie #defeatdayzero und #50litrelife einen Wettbewerb aus „the new normal“, der neuen Normalität, zu machen.

Sie geben Tipps dafür, was man mit 50 Litern Wasser pro Tag alles machen kann, wie man noch mehr Wasser sparen könnte und wo man kaputte Rohre oder „Verschwender“ melden soll. Musiker kreieren extra zweiminütige Dusch-Songs oder nehmen vorhandene Songs in einer kürzeren Version auf. Medial bekannte Personen des öffentlichen Lebens werden als „Wasser-Botschafter“ eingesetzt und die ganze Stadt wird mit Plakaten geschmückt. Die Verbreitung dieser Aktionen über die sozialen Medien beschert Kapstadt die wohl bis dato größte weltweite Aufmerksamkeit aufgrund einer Wasserkrise, obwohl diese, wie zu Beginn beschrieben, in vielen Regionen der Welt bereits zur Normalität gehört.

Die aktuelle Lage – Kann der „Day Zero“ in Kapstadt abgewendet werden?

All die Bemühungen, den Bürgern den sparsamen Umgang mit Wasser zu lehren, scheinen Früchte zu tragen. Die „Stunde Null“ wurde Anfang 2018 immer weiter nach hinten verschoben.

Neben den Einsparungen durch die Bevölkerung liege dies auch daran, dass die landwirtschaftlichen Betriebe in der Umgebung ihren Wasservorrat ausgeschöpft hätten und ihnen nun kein städtisches Wasser mehr zukommen würde, berichtet die für Wasser zuständige Stadträtin Xanthea Limberg im März.

Zunächst wurde die „Stunde Null“ im Juli angesetzt und später, als die Stadt zu Beginn des südafrikanischen Winters mit den lang ersehnten und vorhergesagten Regenfällen gesegnet wird, spricht man gar von einer Verschiebung des „Day Zero“ auf das Jahr 2019. Zu Beginn des Monats Juni füllt starker Regen die Dämme, sodass die Wasservorräte bereits über denen des Vorjahres liegen.

Nicky Allsopp vom „South African Environmental Observation Network“ (SAEON) warnt jedoch davor, dass man das Klima für die nächsten Jahre nicht voraussagen könne und Vorsicht geboten sei: „We cannot assume that the climate is returning to whatever normality is.“ (News24, 02.06.2018).

Am 28. Juni 2018 verkündet die Stadt nach sechswöchiger Regenzeit schlussendlich in einer öffentlichen Mitteilung: Auch 2019 wird es keinen Day Zero geben. Die Kapstädter haben es geschafft, innerhalb von drei Jahren ihren Wasserverbrauch um über die Hälfte zu senken. Dennoch liegt ihr täglicher Wasserverbrauch noch über dem eigentlichen Ziel von 450 Millionen Litern. Daher werden alle Bewohner eindringlich dazu aufgefordert, die Sparmaßnahmen auch weiterhin beizubehalten, um eine langfristige Versorgung zu sichern.

Experten gehen davon aus, dass die Wasserkrise in Kapstadt anhalten wird, denn die Hauptprobleme bestehen noch immer. Die Zahl der Einwohner wird weiterhin rapide steigen, während sich die Wasserkapazität nur schleppend erhöht. In den vergangenen 23 Jahren ist die Bevölkerung Kapstadts von 2,4 Millionen auf 4,3 Millionen Einwohner gestiegen.

Im Vergleich dazu konnte die Stadt ihre Wasserkapazität gerade einmal um 15% erhöhen. Zudem geht man davon aus, dass es drei oder gar vier aufeinanderfolgende regenreiche Jahre dauern wird bis sich die Stadt von der Dürreperiode vollständig erholt hat. Aufgrund des Klimawandels ist jedoch eher wahrscheinlich, dass weitere regenarme Winter auf Kapstadt zukommen.

Die weltweiten medialen Horror- und Untergangszenarien haben sich somit allerdings nicht bewahrheitet. Die durchweg negative Berichterstattung führte jedoch zu erheblichen Einbußen im Tourismus und Hotelgewerbe, da viele potentielle Urlauber erst mal abwarteten.

„The new normal“ – Zukunftsaussichten und Pläne für Kapstadt

Priya Reddy, die Sprecherin der Stadtverwaltung, sagt im Mai 2018 rückblickend, dass die Wasserkrise in Kapstadt enorm thematisiert worden sei, weil es zu diesem Zeitpunkt schlichtweg notwendig gewesen wäre. Jahrelanges Bitten und Überzeugen hätte im Vorfeld nichts gebracht. Die Maßnahmen wären keine bequeme und schöne Lösung gewesen, aber sie wären erforderlich gewesen und stellten eigentlich kein großes Problem dar. Die Konsequenz wäre andernfalls der Eintritt von „Day Zero“ gewesen, dessen Vermeidung man bis heute nicht garantieren kann.

Jeder Bewohner Kapstadts und der näheren Umgebung wurde durch die Zeiten der Krise aufgerüttelt und zum Nachdenken angeregt. Farmer verzeichnen in deren Folge Ernteeinbußen und die reichen Kapstädter Einschränkungen des luxuriösen Lebensstils. Arbeitsplätze in der Erntehilfe, in Gärtnereien und Autowäschereien gehen verloren. Allen scheint inzwischen klar zu sein, dass dies die Zeit des Umbruchs ist und Wassermangel die neue Normalität sein wird. In Zukunft werden Landwirtschaftsbetriebe mit weniger Wasser auskommen müssen, ebenso wie Hotels und Privathaushalte. Der Wassermangel kann nicht aufgehalten, sondern nur abgeschwächt werden.

In den letzten Monaten lagen der Stadtverwaltung viele Alternativen zur Lösung des Wassermangels vor. Die Vorschläge reichen von recht kostengünstigen Produkten bis hin zu Maßnahmen, die eine lange Vorausplanung benötigen. Einfache Lösungen, wie Putzmittel für das Auto, die ohne Wasser funktionieren, Duschinstallationen, die das verwendete Wasser erneut in den Duschkopf pumpen oder die sogenannten „shade balls“ zum Schutz der Dämme vor Schmutz und Verdunstung, können bereits weitreichende Verbesserungen bewirken.

Eines der größeren und kostenintensiveren Projekte stellt der Bau und Betrieb mehrerer Entsalzungsanlagen dar. Zwei Anlagen, an der V&A Waterfront und in Strandfontein sind bereits in Betrieb genommen worden, eine weitere wurde Ende Juli 2018 am Monwabisi Strand eröffnet. Das Wasser aus den Entsalzungsanlagen kostet jedoch im Normalfall mindestens das Sechs- bis Siebenfache des Wassers aus den Dämmen.

Daher wird als Alternative weiterhin versucht werden, in den laufenden Projekten noch großflächiger das Grundwasser anzuzapfen. Die Gewinnung von Grundwasser aus neuen Quellen wäre günstiger als jede andere Lösung, ist jedoch ebenso abhängig von regenreichen Wintermonaten in den kommenden Jahren wie der Füllstand der Dämme. Im Fall einer anhaltenden Trockenheit würden städtische und private Bohrungen und Brunnenbauten den Grundwasserspiegel nur noch weiter senken.

Auch wenn sich die Stadtverwaltung derzeit mit den Reparaturarbeiten an den Wasserrohren bemüht und die Wasserverteilung besser koordiniert, wirkt dies nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Es müsste beispielsweise wie im Jahr 2007 ein weiterer Damm eröffnet werden, um die Populationssteigerung auszugleichen und den größten Nutzen aus den geringen Regenfällen zu ziehen. Solche Dämme bauten in den vergangenen Jahren jedoch vorwiegend die Bauern im Umland, welche bereits seit einiger Zeit um ihre Existenz fürchten und sich nicht auf die städtische Versorgung verlassen können.

„In Südafrika gehören Regenwasser, Bäche und Flüsse per Gesetz dem Staat. Und der vergibt dann die Rechte, dieses Wasser zu nutzen und zu speichern. […] Die Farmer hier in der Gegend haben in guter Voraussicht schon vor Jahrzehnten einen großen Staudamm gebaut und ein Teil davon wird nun hier [in] Kapstadts Wasserversorgung eingespeist. Das machen wir bereits seit über zehn Jahren so. Wegen der Krise in Kapstadt ist es nur mehr als bisher.“ (Deutschlandfunk Kultur, 18.03.2018)

sagt Stuart Maxwell von der „Groenland Water User Association“ zu dieser Thematik.

Die Farmer der Vereinigung schlagen ebenfalls die bessere Nutzung des vorhandenen Frischwassers aus Quellen, Bächen und Flussläufen und Grauwassersysteme verpflichtend für alle Haushalte vor. Für solche Systeme oder die Erkennung von Lecks in Wasserleitungen könnten in den kommenden Jahrzehnten auch technologische Fortschritte und das damit verbundene „Internet der Dinge“, also die Kommunikation zwischen virtuellen und physischen Gegenständen, behilflich sein.

Ideen, die die Wassergewinnung aus der Luft durch spezielle Wasserkondensatoren, Nebelnetze oder gar die Provokation stärkerer Regenfälle durch das „Impfen“ der Wolken mit Kochsalz (engl.: „cloud seeding“) betreffen, werden zunächst beiseitegelegt. Stattdessen wird ein anderer abstrus klingender Plan verfolgt, dessen Umsetzung knapp ein Jahr dauern könnte. Ein Eisberg soll aus der Nähe von Gough Island, etwa 2.700km südwestlich von Kapstadt, bis 40km an die Küste der Stadt gezogen werden.

Das Schmelzwasser des Eisbergs soll in Tanker abgepumpt, dann in eine riesige Boje auf offener See vor Koeberg weitergeleitet werden und schlussendlich durch eine Unterwasser-Fernleitung in Sammelbehälter an die Küste gelangen. Schweizer Investoren würden dieses Projekt finanziell unterstützen – grünes Licht gibt es jedoch noch nicht. Das Wasser des Eisbergs würde voraussichtlich 20-30% des Jahresbedarfs der Kapstädter decken und wäre immerhin noch günstiger als jenes, welches aus den Entsalzungsanlagen gewonnen werden kann.

Was hat Kapstadt gelernt und was können andere Großstädte dazulernen?

Laut Anna Taylor von der University of Cape Town kann Kapstadt mindestens drei Lehren aus der Krise der vergangenen Monate ziehen:

  1. Zum Einen sei es wichtig, eine umfangreiche Vorarbeit zu leisten. Forschung muss betrieben, Strategien müssen aufgestellt und Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, noch bevor es zur Krise kommt. Für Kapstadt sollte dies im kommenden Jahr oberste Priorität besitzen. Die daraus entstehenden Ergebnisse müssen an die Öffentlichkeit herangetragen und deren Wichtigkeit deutlich gemacht werden. Andernfalls würde dies durch die Einwohner der Stadt ignoriert werden.
  2. Außerdem seien eine funktionierende Zusammenarbeit innerhalb der Führung und eine offene Kommunikation essenziell. Somit könnten Unsicherheiten und Misstrauen zwischen den Regierenden Südafrikas, wie zu Beginn der Krise gesehen, und innerhalb der Bevölkerung, aufgrund nicht vorhandener Transparenz, vermieden werden. Durch öffentlich zugängliche Informationsstellen wie dem Water-Dashboard oder dem Water-Outlook-Report habe Kapstadt dieses Problem sehr gut lösen können.
  3. Als dritten Punkt merkt Taylor an, dass große sowie kleine Änderungen zur langfristigen Lösung der Krise beitragen. Die Kapstädter müssten weiterhin an einem Strang ziehen, statt sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben. Die Regierung und große Unternehmen könnten mit kostenintensiven Maßnahmen ebenso etwas erreichen wie jeder einzelne Bürger durch die sparsame Verwendung von Wasser oder den Kauf von Regenwassertanks für den Garten.

In São Paulo wähnte man sich 2016 in der Sicherheit einer überstandenen Krise, die nicht lange anhielt. Gegen diese potenzielle Gefahr sollte Kapstadt Strategien entwickeln. Auch wenn die Massenmedien die öffentliche Dramatisierung der Wasserkrise in Kapstadt mitverschuldet und verstärkt haben, ist nicht zu bestreiten, dass eine Krise existiert.

Die Belastbarkeit von Regierung und Einwohnern wurde auf die Probe gestellt. Vorerst wurde diese Probe auch bestanden. Nun bleibt zu hoffen, dass sich andere Städte dies als Vorbild nehmen und Kapstadt in den kommenden Jahren nicht die Fehler seiner Vorgänger wiederholt.

Vanessa Schmidt lächelt in die Kamera

Vanessa liebt das Schreiben und bereichert den Blog daher mit spannenden Themen rund um das südliche Afrika. Sie interessiert sich besonders für die interkulturelle Zusammenarbeit und fremde Kulturen. In Verbindung damit stellen das Reisen und Fotografieren/Filmen ihre größten Leidenschaften dar und führten sie bereits in den Norden und Westen des afrikanischen Kontinents. Der Süden wird somit sicher ebenfalls nicht mehr lange auf sich warten lassen!

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