Sind wir bereit für die grüne Revolution? 2018 wurde der Cannabis-Konsum in Südafrika nicht nur entkriminalisiert, sondern sogar ausdrücklich erlaubt und damit legalisiert. Das seit 1928 geltende und damit 90 Jahre andauernde Verbot hat die Apartheid überdauert, gibt Südafrika nun jedoch nicht nur einen wichtigen Teil seiner Kulturgeschichte zurück, sondern sichert dem Land auch einen der wenigen Plätze am Tisch des legalen Cannabis-Welthandels.1
Inhaltsverzeichnis
Die Legalisierung von Cannabis in Südafrika
Der Freizeit-Konsum des in Südafrika oft „Dagga“ genannten Cannabis wurde erst vor wenigen Jahren vom Verfassungsgericht legalisiert. Das betrifft alle privaten Räume, also sowohl die eigenen vier Wände als auch das eigene Auto u.ä., nicht jedoch den öffentlichen Raum. Begründet wurde die Legalisierung des Cannabis-Konsums mit der südafrikanischen Verfassung, die zu den liberalsten der Welt zählt. Das garantierte Recht auf Privatsphäre sei durch das Verbot von Cannabis-Konsum nicht gegeben gewesen. Es wird angenommen, dass das „Dagga-Paar“ Julian Stobbs und Myrtle Clarke mitverantwortlich ist für die Legalisierung von Cannabis in Südafrika. Sie hatten, anstatt sich für den Besitz und Handel mit Cannabis schuldig zu bekennen, die Regierung wegen des Cannabisverbots verklagt und sich auf die Verfassungswidrigkeit der Gesetze berufen. Südafrika gehört noch zu den Vorreitern der Legalisierung von Cannabis. Auch das Verbot des Anbaus und Besitzes für den Privatgebrauch wurde aufgehoben. Weiterhin bestehen bleibt jedoch das Verbot der Weiterverbreitung und des Verkaufs von Cannabis. Lediglich der durch Lizenzen regulierte Handel mit medizinischem bzw. pharmazeutischem Cannabis ist bereits seit 2017 gestattet, sowie der Handel mit Produkten, die weniger als 0,2 % des berauschenden Stoffes THC beinhalten, z.B. CBD-Öl.2
Der globale Cannabis-Boom
Ist der Anbau von medizinischem Cannabis der Wirtschaftsfaktor der Zukunft?
Auch wenn noch immer mit einem Augenzwinkern von der „grünen Ökonomie“ gesprochen wird, stellen der medizinische Cannabis-Anbau und der Handel mit Nutzhanf auf dem Weltmarkt eine enorme wirtschaftliche Chance auf ein Milliardengeschäft für Südafrika dar. Vorausgesagt wurde im „African Cannabis Report“ ein Potenzial von mehr als 7 Milliarden US-Dollar pro Jahr ab dem Jahr 2023, insofern weitere afrikanische Staaten mit Gesetzen zur Legalisierung von Cannabis nachziehen.
In Simbabwe und Lesotho wurde der Anbau von medizinischem Cannabis bereits legalisiert. Medizinisches Cannabis hilft erwiesenermaßen bei Schmerzen. „Es ist längst wissenschaftlich belegt, dass es Patienten bei Chemo- oder Strahlentherapie mit CBD besser geht. Ebenso, dass Cannabis bei Multipler Sklerose hilft, bei Krebs, Epilepsie und Krampfanfällen, es reduziert Gewichtsverlust bei HIV-Patienten, und es wird weiter wissenschaftlich an Cannabis geforscht.“, sagt die Ärztin Shiksha Gallow.3
Besonders der europäische Markt könnte ein großer Abnehmer des in Afrika angebauten pharmazeutischen Cannabis werden, da in Europa der Einsatz von Cannabis in der Medizin verbreiteter ist als in Afrika. Während das Gesundheitssystem Afrikas den Zugang zu Cannabis als Medizin erschwert, sind in Afrika jedoch die Zahlen des Cannabis-Konsums zu Freizeitzwecken mit über 13 % stets hoch.
Die oft geleugnete Tradition des, früher noch ausschließlich illegalen, Hanf-Anbaus in Afrika sichert einigen Ländern nun einen enormen Wettbewerbsvorteil. Perfekte klimatische Bedingungen, großzügige und erschwingliche Landflächen, qualitativ hochwertige Cannabis-Sorten sowie viele verfügbare und sehr erfahrene Arbeitskräfte aus der ehemals erfolgreicheren Tabak-Landwirtschaft können insbesondere dem südlichen Afrika zu globalem Erfolg in der Cannabis-Industrie verhelfen. Viele Kleinbauern leben bereits seit einigen Jahren illegal vom Cannabis-Anbau, auch wenn es nicht an die große Glocke gehangen wird und die Polizei immer wieder ganze Cannabis-Felder vernichtet. Allein in Südafrika soll es bereits 900.000 Hanfbauern geben, vom privaten Konsumenten mit wenigen Hanfpflanzen im eigenen Garten bis zum Betreiber großer illegaler Felder.4
Neben einer angemessenen Infrastruktur für den legalen Wirtschaftszweig müssen sich jedoch auch die Regulierungsmaßnahmen am Markt erst noch etablieren, sodass der Wettbewerbsvorteil voll ausgeschöpft werden kann. Hierfür gründeten sich Initiativen, wie bspw. das „Cannabis Development Council of South Africa“ (CDCSA), welche die Rahmenbedingungen für die Cannabisproduktion schaffen sollen. Es mag verwirrend klingen, doch ein boomender Cannabis-Markt durch die Legalisierung des Cannabis-Anbaus im medizinischen Bereich und der privaten Nutzung, bedeutet nicht zwangsläufig die Etablierung eines erfolgreichen legalen Wirtschaftszweiges für die breite Bevölkerung.
Folgende Herausforderungen sind bereits heute ersichtlich:
Hanfpflanzen können für weitaus mehr industrielle Zweige genutzt werden, als nur in der Medizin. Sibusiso Xaba, der Chef der „Africa Cannabis Advisory Group“, sagte gegenüber der tagesschau, dass Hanffasern des Nutzhanfs bspw. für 22.000 industrielle Zwecke verwendet werden könnten – als Plastikersatz, Textilfaser oder Werkstoff. Außerdem nehme Hanf viermal mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf als andere Pflanzen und leiste damit seinen Beitrag zum Klima.5
Regulierungen zum Cannabis-Konsum
und Cannabis-Anbau in weiteren afrikanischen Ländern und weltweit
Uruguay war 2013 das erste Land, das eine staatlich kontrollierte Freigabe von Cannabis umgesetzt und damit den Konsum, privaten Anbau und Kauf von Cannabis legalisiert hat.
Nachdem seit 2001 Cannabis als medizinisches Produkt erlaubt war, wurde Kanada im Oktober 2018 als zweites Land bekannt, welches Cannabis auch für den Privatgebrauch vollständig legalisiert hat. Der legale Erwerb und Besitz ist hier auf 30 g pro Person beschränkt. Außerdem ist der Anbau von einigen wenigen Pflanzen erlaubt, mit Ausnahme der Provinzen Quebec und Manitoba. In Kanada regeln die einzelnen Provinzen die Ausgestaltung des Gesetzes selbst, ähnlich wie in den USA.6
In mehreren US-Staaten ist Cannabis, teils zum medizinischen und teils zum privaten Gebrauch, erlaubt. Auf Bundesebene gilt Cannabis jedoch immer noch als Droge der Klasse 1: „Substanzen ohne jeglichen medizinischen Wert“.
Ähnlich wie in Südafrika sieht die Gesetzeslage in Georgien und Mexiko aus. In Georgien sind seit 2018 Konsum und Besitz von Cannabis legal, während Anbau und Verkauf verboten bleiben. In Mexiko hat das Oberste Gericht des Landes das Cannabis-Verbot bereits 2015 als verfassungswidrig eingestuft und dies 2018 noch einmal bestätigt. Auch wenn bisher keine offizielle Legalisierung vorgenommen wurde, kann sich auf dieses Urteil berufen werden.7
Doch wie sieht es denn nun in den afrikanischen Ländern neben Südafrika aus? Während Swasiland, das heutige Königreich Eswatini8, besonders durch den illegalen Hanfanbau bekannt wurde, stürzte sich die Presse auf Lesotho als Positivbeispiel des ersten afrikanischen Landes mit einer medizinischen Cannabis-Lizenz.9 Neben zahlreichen illegalen Feldern, die es auch hier gibt, befinden sich im kleinen Königreich Lesotho bereits 18 industrielle Gewächshäuser zum Anbau von medizinischem Cannabis. Die hiesigen Hanfpflanzen sind bekannt für ihren hohen Anteil an entzündungshemmenden Wirkstoffen (CBD) und den geringen Anteil an Rauschmittel (THC). Daher eignen sie sich ideal für den internationalen Markt für Medizinprodukte. Der Markt wird allerdings, ebenso wie in den meisten anderen Ländern, von Großfarmern und deren Investoren bestimmt. Kleinbauern haben auch hier keine Chance und sind oftmals weiterhin auf den illegalen Anbau von berauschendem Marihuana angewiesen, da sie sich die Lizenz zum Anbau für medizinisches Cannabis, die Anlagen und die ordnungsgemäße Absicherung der Flächen nicht leisten können.
Dennoch schaffen die legalen Farmen zahlreiche Arbeitsplätze und kurbeln die Wirtschaft des Landes an. Lizenzen für den industriellen Hanfanbau von Nutzhanf (Hemp) existieren bisher nicht und in Lesotho selbst ist der Konsum, Besitz und Anbau von (nicht-medizinischem) Cannabis verboten.
- In Eswatini (Swasiland) sind der Konsum, Besitz und Verkauf von Cannabis illegal, derzeit auch noch zu medizinischen Zwecken. Dies könnte sich jedoch in Zukunft in einigen afrikanischen Ländern ändern, die Lesotho und Südafrika zum Vorbild nehmen.
- Simbabwe hat den Anbau von Hemp und medizinischem Cannabis im Jahr 2018 entkriminalisiert. Die finanziellen Vorteile haben den Finanzminister Simbabwes sogar dazu bewegt sich öffentlich für den Export von Cannabis auszusprechen.10
- In Europa ist der bekannteste Vorreiter für die Legalisierung des Cannabis-Konsums die Niederlande. Hier stehen die lizenzierte Abgabe und der regulierte Konsum an erster Stelle. Dennoch ist es ein Irrglaube, dass Cannabis in den Niederlanden legal sei. Es ist „illegal, aber nicht strafbar“, somit also lediglich toleriert.1112
- Als Paradebeispiel für die erfolgreiche Liberalisierung von – unter anderem – Cannabis gilt Portugal. Strafverfolgung und Stigmatisierung aufgrund von Cannabis-Konsum spielen hier gar keine Rolle mehr.
Deutschland ist noch immer ausschließlich Importeur von medizinischem Cannabis, nicht jedoch Selbsterzeuger. Im letzten Quartal 2020 war ursprünglich die erste Ernte von deutschem Medizinalcannabis geplant, die sich jedoch aufgrund bürokratischer Hürden verschob. Doch selbst mit dem geplanten Eigenanbau wäre nicht einmal ein Zehntel des Bedarfs in Deutschland gedeckt, weshalb Südafrika, neben derzeit Kanada, der Niederlande und Portugal, als Import-Land durchaus in Frage käme. Der Export von deutschem Medizinalcannabis kann auch in Zukunft ausgeschlossen werden, da das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) laut eigener Aussagen keine Gewinne mit in Deutschland angebautem Cannabis einfahren möchte. Der Anbau, Besitz und Verkauf von Cannabis zu Freizeitzwecken ist in Deutschland derzeit illegal, der Konsum ist jedoch erlaubt. Das ist ein Widerspruch, der schon einige Male in Kritik geraten ist. Medizinisches Cannabis darf seit März 2017 in Deutschland verschrieben werden.1314
Exkurs: Kann ich mit medizinischem Cannabis oder CBD verreisen?
Cannabis als Medizin darf aus Deutschland ausgeführt werden. Generell ist es jedoch anzuraten, sich beim Mitführen von medizinischem Cannabis (CBD/Cannabidiol) genauestens über die Bestimmungen im Zielland zu informieren. Cannabis darf, wie jedes andere legale Betäubungsmittel auch, ausschließlich für den eigenen Bedarf mitgeführt werden. Für Bürger aus den Vertragsstaaten des Schengener Abkommens gibt es eine beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhältliche Bescheinigung („Bescheinigung für das Mitführen von Betäubungsmitteln im Rahmen einer ärztlichen Behandlung – Artikel 75 des Schengener Durchführungsabkommens“), die ausgefüllt mitzuführen ist und von einer Gesundheitsbehörde beglaubigt werden muss. Bei Reisen außerhalb der Vertragsstaaten des Schengener Abkommens ist eine genaue Recherche und Absprache mit dem behandelnden Arzt anzuraten.1516
CBD-Endprodukte wie Öle oder Kapseln möchten viele Reisende sogar im Handgepäck mit sich führen, da sie eine beruhigende Wirkung haben. Auch hier sollte man sich unbedingt über die Bestimmungen im Zielland informieren. Ratsam ist es außerdem, alle Informationen über das Produkt mit sich zu führen, bspw. Informationen über den Kauf und die Herkunft aus einer seriösen Bezugsquelle. Meist ist das Mitführen von CBD-Produkten mit einem THC-Gehalt von unter 0,2 % erlaubt. Im Zweifelsfall kann dieser bei Produkten aus unseriösen Quellen aber schwanken, was zu Problemen beim Zoll führen kann. Man sollte genauestens über das Produkt Bescheid wissen, um alle Fragen, die Sicherheitsbeamte stellen könnten, beantworten zu können.
Bei Reisen in Länder mit strenger Drogenpolitik, in denen auch Cannabis-Endprodukte illegalisiert sind, ist es ratsam, das CBD zu Hause zu lassen.
Fazit: Cannabis als Chance für Südafrika?
Auch wenn die Legalisierung und der Handel mit Cannabis weltweit immer noch umstritten sind, bieten sie Südafrika die einmalige Chance im Welthandel für pharmazeutisches Cannabis mitzumischen. Der globale Trend in Richtung Selfcare und Gesundheitsbewusstsein führt derzeit weltweit zu einem Anstieg der Verkäufe von CBD-Ölen, -Kapseln u.ä. Cannabidiol (CBD) ist als beruhigender und entzündungshemmender Wirkstoff bereits auf allen Kontinenten bekannt und wird sogar bei Haustieren zur Entspannung und Minderung von Angstzuständen eingesetzt. Medizinisch genutztes Cannabis und Cannabidiol sind also schon länger ein vielversprechender Wirtschaftsfaktor. Die schrittweise Legalisierung des Freizeitkonsums könnte die logische Schlussfolgerung sein. Für Südafrika war es diese jedenfalls. Gleichzeitig enttabuisieren und entkriminalisieren die neuen Gesetze einen wichtigen Teil der südafrikanischen Geschichte. Das, weltweit betrachtet recht frühzeitig, von Weißen in den 1920ern illegalisierte Marihuana wurde damals fast ausschließlich von Schwarzen – sowohl als Heilpflanze als auch zu Freizeitzwecken – konsumiert, weshalb das Cannabis-Verbot nur eines von vielen Mitteln der Unterdrückung darstellte. Von dieser Kriminalisierung kann nun Schritt für Schritt Abstand genommen werden, während zugleich ein starker legaler Wirtschaftszweig erblüht.
Interessiere mich etwas über eSwatini und Mosambik zu lesen. Thanks